Da stehen sie in der Reihe. Verschwommen und unscheinbar, unüberbrückbar, unüberwindbar. Die Gewehre sind geschultert, doch diese ihre Whermachtskarabiner werden sie nicht benötigen. Meinen sie. Höhnisch ruft einer: «Wir wissen doch, dass ihr gegen das herrschende Recht verstoßt. Gebt doch auf! Was wollt ihr denn schon anrichten gegen uns. Wir sind viel stärker, als ihr es jemals sein könnt.» Kampmann ließ die Mundwinkel hängen, denn er hätte nicht damit gerechnet, dass die Drei Grazien hier auftauchen würden. Neben Bono und Beuys waren sie die wohl härtesten Schergen in den Reihen der Zeitnazis. Steinbeck hatte das geschrieben, nein, er hatte das über NOSE förmlich geschrien. Er hatte sich wirklich alle Mühe gegeben, Kampmann zu warnen. Nur kannte er den nicht, denn Kampmann ist schließlich ein Dude, ein Drifter, der mit seiner Naivität, Nettigkeit und Harmlosigkeit eigentlich die stärksten Waffen auf seiner Seite hat, ohne es zu wissen, versteht sich. Und der hatte sich jetzt also so weit durchgeschlagen, nicht aber, um einfach kampflos aufzugeben. Selbst wenn er das nicht so genau wusste. Denn Ehrgeiz war des Kampmanns Sache nicht.
Ganz gleich, wen er da vor sich hatte. Nun stand er dennoch verängstigt vor den Drei Grazien. Jedoch der Widerstand regte sich unaufhörlich. «Ihr könnt mich mal. Ihr seid exakt der Plural, den die Menschheit nicht vermisst, wenn er aus der Welt verschwindet», schmetterte Kampmann ihnen mutig entgegen. Leute, ihr hättet deren erstaunte Gesichter sehen sollen. Kampmann hatte erkannt, dass diese üblen Handlanger der Zeitnazis nichts anderes waren als eine grammatische Inkonsistenz im Sprachgefüge, eine Unregelmäßigkeit und Verdrehung aus Ein- und Mehrzahl. «Du da, halte dich gerade. Deine orthopädische Anomalie hat zu einer Verwerfung in den Schulbüchern der Nachkriegszeit geführt. Aber das werden wir von der RDS gerichtet haben, noch bevor deine Auftraggeber davon Wind bekommen haben. Du bekommst eine Einlage, aber was für eine, Du Hirni!» Es ist zwar anstrengend, dachte Kampmann, aber ein echter Spaß, mit den Tempi, Numeri und Kasi zu spielen. «Ich fühle, dass ich nur da ganz Mensch bin, wo ich spiele», erkannte der Temponaut der RDS.
Und schon zerfiel der erste zu Staub. Den nächsten erledigte Kampmann mit einer falschen Verbflexion. Er befahl dem Besatzer, er solle fenêtre konjugieren. Als der ohne Gegenwehr wie hypnotisiert begann mit je fenes, il fenes und so fort, begann auch er sich aufzulösen. Dem letzten schrieb drei Zeilen aus dem Beginn von Arno Schmidts Kühe in Halbtrauer im Geiste auf die Stirn, und schon war dieser Verbrecher ebenfalls Geschichte, die niemand mehr erinnern, geschweige denn lesen würde. Derart gestärkt betrat Kampmann die Sammelstelle. Auf dem Gang lungerten Klekih-petra, Hrvoje Svob und Old Surehand herum, rauchten Kalumet und fachsimpelten über Messer. Die Marke Randall Made Knives (z. B. Model 27 Trailblazer) stand damals hoch im Kurs. Es hieß, die Klingen würden Berge zerschneiden. Kampmann störte die drei nicht bei ihrer Fachsimpelei. Er ging weiter und erkundete die Gänge dieses grauen Hauses. Es war wie in einem riesigen Gehörgang. Diese anthropomorphe Architektur war von außen gar nicht vorstellbar. Da sah es wie ein typischer, blöder, einfallsloser Kasten aus den frühen 1930er-Jahren aus. Aber hier drinnen wanden sich die Gänge, verdickten und verjüngten sich. Es wuchsen zottelige Haare aus den Wänden, und gelbe Bröckchen fielen bisweilen herab und klatschten wie nasse Aufnehmer auf den wabbeligen Grund. Und plötzlich fiel es ihm ein: Er war mitten im Palast von EAR, den Eternally Abandoned Rangers. Und deren Boss ist und war? Klar, wer sonst? Hans-Dieter Dressler, Abtrünniger der Gegenwart, Jäger des verlorenen Schatzes, Verteidiger vernunftbasierter, humanistisch grundierter, aufklärungsorientierter Ethik und Hüter philosophischer Weisheit und Moral. Und Verächter fundamentalistischer Religionen usw. «Beuys packen, man müsste einmal Beuys packen. Der ist zu packen, das weiß ich!» Er schlenderte Kampmann entgegen. Ein Lächeln auf den Lippen. Und eine Machete in der Linken. [Fortsetzung folgt vielleicht]
Soundtrack: Soft Machine, Third, CBS 66246, 1970