Silver Spur

Durango

Ach, John Wayne. Was hast Du uns in zahllosen Filmen als harter, doch smarter Cowboy begeistert. Büttner dachte wehmütig an seine Kindheit und die Western, die er damals sehen durfte. Hier, in Durango, im Silver Spur Motel, erinnerte man sich ebenso an John. In großen Lettern verkündete man, dass dereinst John Wayne hier schlief und es mochte.

Das Motel war nicht die einzige Attraktion in Durango.

Das machte den besonderen Reiz dieser Reise aus. Überall begegnete man den Helden der Kindheit, als die Welt noch in Ordnung war und der weiße Mann den wilden Edlen als Blutsbruder akzeptierte oder eben massakrierte. Dieses Land schrieb seine eigene Geschichte, die sich selbst erfindet. Und selbst diese Erfindung hatte man sich, wie so vieles, von der Radical Dude Society angeeignet. Jener Society, die sich vor Anbeginn der Zeit selbst erfunden hatte, und die seit dem die Weltgeschichte so beschrieb, wie sie hätte sein sollen. Das war aber auch schon alles. Mehr Ähnlichkeiten waren nicht konstruierbar.

Büttner nutzte die REISE durch die USA dazu, die Bilder aus Erinnerungen zu prüfen und da, wo es notwendig war, zu korrigieren. Das war der Auftrag, den er von der Society erhalten hatte. Die Gefährten wussten nichts davon.

Während Bohl und Reuss unbekümmert die Hauptstraße auf der Suche nach dem besten Steakrestaurant abliefen, grübelte Büttner an seinem nächsten Vortrag. Er ließ sich am Straßenrand nieder, packte sein Notizheft aus und schrieb Gedanken auf. Den zwei Gefährten rief er nach, sie sollen den Bauarbeitern folgen.

Wayne galt als strammer Patriot und repräsentierte in eindrücklicher Weise die Wertvorstellungen der Republikaner. Büttner zog eine gerade Linie ausgehend von den konservativen Westernfilmen hin zu den folkloristisch Maskierten Trump-Anhängern, die über Leichen gehend das Capitol stürmen würden.

Die Geschichte wimmelte nur so vor großen amerikanischen Heuchlern. Das Polaroid hatte jemand von einer Webseite abfotografiert. Die Webseite bildete ein Bild mit dieser Eintragung ab: © Manuel Balce Ceneta/AP/dp

In seinem Vortrag Über das Elend in den USA zeichnete Büttner ein düsteres Bild der Zukunft. Neben den Capitol Riots sah Büttner voraus, dass Biden die USA und die Welt gegen China aufhetzen würde.

Bohl und Reuss hatten unterdessen ein Steakhouse ausgekundschaftet und riefen den Freund herbei. Sie machten es sich neben den Bauarbeitern, die eben noch die Hauptstraße geteert hatten, gemütlich und bestellten jeder sein Steak. Nur Reuss wich ab und bestellte einen Salat und Pommes. Er verzichtete schon seit Kindertagen auf Fleisch, weil er es nicht einsah, seine Spielkameraden immer und immer wieder aufessen zu müssen. Das führte in seiner Familie zu ernsten Verstimmungen, weil er mit dieser Marotte die Brüder ansteckte und die Oma zu immer raffinierteren Täuschungsmanövern animierte. Doch auch die versteckte Wurst im Kartoffelstampf entdeckte Reuss ohne Mühe.

Reuss war ein nachsichtiger Vegetarier. Gleichmütig durchstreifte er mit den Gefährten die Supermärkte auf der Suche nach guten Steaks, Bratwürsten oder Hamburgern. Er verweigerte sich keiner Fleischklopsbude, so lange sie einen passablen Salat anbieten konnte.

Gut genährt stiegen sie in ihren Wagen und fuhren weiter. Sie hatten noch etliche Meilen vor sich. Büttner pulte die letzten Fleischfasern aus den Zwischenräumen seiner Zähne. Bohl pfiff ein Lied. Die Sonne neigte sich zum Horizont.

Soundtrack: Dead Kennedys, Rawhide, Plastic Surgery Disasters / In God We Trust, Inc, Decay, 1982