Felderbilder

Der Großvater hat das Bild immer erzählt. Meint er. Der Vater erwähnt es bisweilen, und jetzt ist wieder Krieg. Im Zug von Berlin nach München sitzen sie gemeinsam. Also nicht der Großvater, der ist tot, und auch nicht der Vater. Sondern: Eine zerpflückte Familie. Vater, Mutter, Töchter, Sohn, Mutter, Töchter, Vater, Sohn oder so und so weiter. Hier und dort, zwischen Reservierten und den anderen. Ob sie auch mal träumen? Also der Vater, der träumt. Sitzt neben einer so sehr hübschen jungen Frau, die betroffen hört, was der Vater erzählt. Und sie stecken die Köpfe zusammen. Die Mutter nicht. Die hat rote Augen. Da glänzt manchmal ein Feuchtigkeitsfilm. Sie ist beherrscht. Und sie gibt den Kindern. Heute bettet sich außerdem das Telefon nicht zur Ruhe, und es zerreißt die Seelen, denn sprechen fällt schwer. Das sieht er; beide sehen nur durch ihre Seuchenmasken. Bei diesem hohen Grad wechselseitiger Rücksicht zwischen der Mutter und dem Typen, der ihr gegenüber sitzt, dauerte es wohl bis Neapel, um eine Möglichkeit erarbeitet zu haben, Geschichten auszutauschen. Trotz geeigneter Bedingungen.

Ist es immer so, dass man sich auf den Weg macht, und andere Dinge, als die gewöhnlichen unternimmt? Und bemüht der Typ, der gegenüber der Mutter mit dem Mann und den drei Kindern, die alle aus der Ukraine stammen, nicht vollkommen ungeeignete Geschichten, die nicht zum Heute dieser Zugfahrt, zu dieser Flucht, zu diesem Krieg passen? Der Typ, der der Mutter mit dem Mann und den drei Kindern aus der Ukraine gegenüber sitzt, schaut aus dem Fenster und sieht das schier endlose Grün der Felder in diesem Mai, und er denkt an die Ukraine, und er denkt an den anderen Krieg. Und er denkt an die Folgen, und der Mann fragt sich, wie er das alles aushält, dass die Betroffenen das aushalten müssen und nicht nur die, und was sein wird, wenn dieser kranke Krieg vorbei ist. Ob es dann auch so ist, dass der Vater aufs Land fahren muss und, mit einem Wecker bewehrt, in der Ackerfurche schläft. Bis der klingelt.

Der Spaten. Das Feld. Der Kartoffelsack. Und dann geht’s mit dem Fahrrad wieder heimwärts. Denn von irgendetwas müssen die drei Kinder ja satt werden. Denn manchmal ist es ganz einfach. Man legt sich in die Furche, ganz gleich, ob es 1946 oder hoffentlich ganz bald ist. Oder was ist das zeitgenössische Bild? Und dann kommen dem Typen, der der Mutter mit dem Mann und den drei Kindern, die alle aus der Ukraine geflohen sind gegenübersitzt, die Tränen. Weil es niemals aufhört: Weil es niemals aufhört, dass die Putins dieser Spezies Mensch den Pinseln der Welt diktieren, was sie zu malen haben. Eine zerpflückte Familie und ein Typ, der nicht weiß, wie das alles zusammenhängt.