Zuende

Normalerweise stehe ich nicht darauf, Lektüren abzubrechen. Viele Bücher gibt es nicht, die ich in den vergangenen Jahren nicht zuende gelesen habe. Ich erinnere mich an Martin Burckhardt, der eine Philosophie der Maschine geschrieben hat. Sehr krause, formale Spielereien, die nur dann Philosophie sind, wenn Philosophie das Charakteristikum aufweist, auf 300 Seiten aphoristische Halbgarheiten durcheinander und zusammen zu würfeln. Oder «Hitlers willige Vollstrecker» von Daniel Jonah Goldhagen, dessen engagierte Stimme meist mehr nach aktivistischer Schreibe, denn nach Wissenschaft schmeckt. Jetzt breche ich Rachel Bachs «Kommando» ab. Das soll Science Fiction sein. Die Onleihe hat den dritten Teil erworben, nur den. Aber da musste ich trotzdem zugreifen, als der Titel verfügbar war. Und auch daran bin ich gescheitert. Früher konnte ich das nicht. Auf Gedeih und Verderb musste ich mich von Seite eins bis zum Ende durcharbeiten. Heute breche ich ab. Vielleicht ist es ein Fehler, aber ich denke, dass die Titel nicht verschwinden. Sie bleiben doch bei uns. Und immer wieder kann ich sie ausleihen oder aus dem Regal ziehen. Und was ich heute nicht verstehe, kann ich mir morgen noch einmal vornehmen. Und wenn genügend Zeit verstrichen ist, liest es sich als historisches Stück aus anderer Perspektive. Das geht so schnell heute. Und natürlich sind manche Bücher besser als andere. Das ist dann von Nachteil. Ich werde sicher keine Forschungen mehr zum Frauenbild in der Science Fiction des 21. Jahrhunderts schreiben. Also werde ich Bach sicher nicht noch einmal lesen. Dennoch bleibt ein Rest Verunsicherung. Habe ich zu voreilig geurteilt? Überhaupt: Kann man urteilen, wenn man weiß, dass sich die Leute mit dem Schreiben und dem Denken Mühe gegeben haben? Jeder gibt sich doch Mühe, sonst würde keiner je mit einem Buch fertig werden, oder? Jetzt frage ich mich aber doch, ob ich nicht zu naiv bin. Viele schreiben, um reich zu werden. Sicher gibt es bessere Methoden. Dennoch: Schnell einen Bestseller verfassen. Rezeptbuch raus, und wie ein Algorithmus schreibt sich das Buch von selbst. Das einzige, was gebraucht wird, ist der Einfall. Data Bäckers große Bestseller-Schmiede. Oder so. Jetzt mache ich mich lustig und fühle, dass es nicht fair ist. Normalerweise bin ich fair. Wirklich! Sie glauben mir nicht?