Habe aufgehört zu scrollen. Man kann ja prima zur eigentlichen Sache (Klimakatastrophe und «Lösungen») diskutieren. Was aber ist denn schon los mit dieser Form des «Protests»? Erschütternd ist es zu sehen, wie neurotisch-narzisstisch hier 23 Lebensjahre sich erkühnen, Weisheit gelöffelt zu haben. Ziviler Ungehorsam sieht anders aus. Wem gegenüber bin ich ungehorsam? Welchen Gleichmarsch verweigere ich, wenn ich mich verklebe? Die symbolische Aufladung von Kunst auf diese Weise ist eine Sackgasse. Etwas an dieser Attacke ist zutiefst undemokratisch. Die Selbstermächtigung, sich gewaltsam über die Kunstgeschichte zu stellen und diese als Handelsware im politischn Gezänk zu degradieren, das ist eines. Das Andere ist zudem, zu meinen, es reiche die Behauptung, gewaltfrei zu agieren. Auch das eher onanistisch. Alles kreist um diese radikal-narzisstischen Figuren, die wenig mit vernunftgetriebenen Protestformen zu tun haben. Die Straßenkleber gehen übergriffig zudem noch in die Leben anderer hinein. Wie nähert man sich dem Verhalten, den Ereignissen? Mit Fragen? Also, ist das Kleben das Ergebnis einer wohlüberlegten rationalen Auseinandersetzung? Und sind denn wirklich alle legalen Mittel ausgeschöpft? Das nur jenseits der Deutung des Klebens. Die Symbolik ist nun nicht besonders clever. Tomatensuppen, Kartoffelbrei, Sekundenkleber? Was kommt als nächstes? Oder wird alles nur noch extremer, und es werden mehr Schäden inkauf genommen? Wird es ein wechselseitiges Überbieten geben? Was sich immer auch mitten in diesen Kontext stellt: Ist es tatsächlich Bürgerwille, der mit dem Kleben und Suppenschubsen zum Ausdruck gebracht wird? Hehre Ziele erreicht man nicht gegen die Bürger. Und ist es nicht auch ein Zeichen von Toleranz, sich zu ergeben? Ich behaupte, dass so lange es Menschen gibt, die mit dem Auto 200 Meter zum Bäcker fahren, ihr Fahrzeug minutenlang laufen lassen, weil ihnen kalt ist im Herbst, die an ihren Fahrzeugen «Fuck Greta»-Aufkleber anbringen, die freie Fahrt mit Tempolimitverweigerung verknüpfen usf.: So lange wird es keinen wirksamen, von Bürgern getragenen Wandel im Bewusstsein geben. Die Frage ist also um des sozialen Friedens zu stellen: Wann wird es zu unmittelbaren Opfern solcher Aktionen und ihren Gegenreaktionen kommen? Wann wird es so sein, dass Kleben einerseits nicht mehr reicht, andererseits sich Autofahrer nicht einfach nur noch aufregen? Ich adressiere in jede Richtung potenzieller Gewalt: Lerne von Baader und Meinhof. Das ist die tödliche Falle. Denn: Mit den Mitteln der Despotie erzeugen wir nur Despotie. Darauf aber folgt dann genauso der Untergang im Knast, weil Rechtstaat und so.
PS: Da reden wir nicht dem alarmistisierenden Abgeordneten der noAfD, Herrn Stephan Brandner, das Wort (s. Das Parlament, Nr. 46-47, 14. November 2022, Debattenbeilage, S. 12). Klaro. Natürlich nicht. Der nämlich verwechselt eine Menge: Er behauptet, die Kleber seien «eine kriminelle Clique, die tatsächlich Terror verbreitet, […]». Und dann schiebt er seinen Schwarzen Peter in die abgründigste Ritze, die er finden konnte: Der Mann hat die Stirn, expressis verbis der CDU Schuld zuzuschreiben. Nun gut. Heuchelei pur, um ihn mal selbst zu zitieren. Nein, es geht eben nicht darum, wir sind schließlich Demokraten. Und die noAfD eher. Nö, wohl nicht so. Hat Herr Brandner auch einen Greta-Hasser-Aufkleber? Allerdings stelle ich mir vor, wie das so ist, mit 23 Jahren. Und dann macht man Kram, den man vielleicht mal gar nicht mehr so cool findet. Mit Terrorismus hat das nichts zu tun, aber mit dem Strafrecht. Die Zeiten sind jedenfalls ganz gut, um herauszufinden, wie man sich mit diesen eher krassen Positionen arrangiert. Natürlich ist das nicht ganz einfach, aber die Entscheidung, zu welcher Seite man mit dem Herz schaut, ist wirklich nicht so schwer. Und die Seite ist nicht die Hobby-Law-and-Order-Simpel-Parade von parlamentierenden Selbstvertretern aus Gera. Der im Übrigen null Plan von Geschichte hat, wie seine daher fabulierte Mär von der Terroristenproduktion, der «Wurzel der heutigen Grünen» und so. Schuldzuweisungen. Ok, machen wir auch Geschichte. Gera liegt in Thüringen. Da ist der Herr Höcke. Der ist die direkte Nachgeburt der Altfaschisten von Adolf Hitzig. So zum Beispiel. Also dann mal los: Was ist wahrscheinlicher? Dass Höcke, vielleicht sogar «sein» Bundeslandsmann Brandner lupenreine Neunazis sind, oder dass die Grünen Nachkommen der RAF-Terroristen oder Merkel Schuld daran trägt, dass sich diese Bürschchen und Ladies an Straßen oder Bilder kleben? Aber gut, warten wir es doch erst einmal ab.