Das Wort

«Das Fatale an der Erscheinung ist ihr multipler Status als Seiendes in einem je spezifischen Sein und der Erscheinung als Erscheinendes. Über das Gegenstandshafte können wir nicht hinwegsehen, es ist das Ist-hafte. Niemand käme je auf den Gedanken, dem Werk diesen Status, der auch als dinghaft charakterisiert werden könnte, abzusprechen. Das Ist-Hafte ist denn auch der Primärzweck, der sich im Erscheinen erfüllt. Damit aber sich dieses Vollzogensein des Seienden im Sein und der Erscheinung als solches erfüllen kann, denn es sollte schon klar sein, dass es eines Um- bedarf, wie in Umfassendheit oder Umfang oder Umraum, um überhaupt anschaulich zu werden, muss dieses, auch Kontext genannte Feld entsprechend sein. Es spricht sich an dem Zusammenhang zwischen Umraum und dem dinghaften Seienden eine Art Verwandtschaft aus, die in den Händen derer liegt, die ganz profan als Bauleute und Gestalter Hand in Hand, aber nicht wissend im Vorhinein, ein Umfeld nicht nur im Geworfenen, im Entwurf, selbst wieder wegbereitend zu neuem Seienden realisieren, und damit seinsmanifestierend extendieren, als Prozess eines Heraus in ein Herein zum Ist. Das ist ein händischer, aber gleichfalls übertragender, geistiger Vorgang, der vorgängig dem ist, was final dann prägt und das Erscheinen der Erscheinung in Potenz zum bloßen Verorten an einem Abort vollendet. Jedoch nur auf Zeit. Das, meine Damen und Herren, ist der Versuch einer Beschreibung und eines vollziehenden Verstehens dessen, was wir in unserem Metier Tag für Tag üben.» Krewib Wersteiner schaute gegen die Scheinwerfer im Saal und sah den Schleier aus schwebenden Teilchen des Staubs in der Luft im Vortragssaal des Kunstpalasts nicht, denn seine Augen trübten sich ein und wurden glasig ob seines Wissens um die Tatsache, dass ihm dieser Vortrag gelungen war. Der Applaus brandete auf, und Bröno Selfmachteger-Spretz schien ergriffen von der Tiefe der Worte. Er neigte seinen Kopf leicht rechts zur Seite, an der zwangsläufig Coppelius saß. Seine Gedanken waren längst abgeschweift von der Kunst und dem Kontext und dem Museum und den Bildern und den Bedeutungen, denn er überlegte, was er mit diesem charismatischen Geist anfangen könne. Und was Wersteiner nicht wusste, wissen wir Lesenden: Seine Rechnung war aufgegangen.

Soundtrack: Ottorino Respighi, Pini di Roma, Fontane die Roma, Feste Romane, The Philadelphia Orchestra, Riccardo Muti, Emi Records CDC 7 47316 2, LC 0542, 1985