Buddha sieht rot

Das Licht flimmert durch die verrosteten Fenster, schäbig, verstaubt, und hier sitze ich, der Buddha, in diesem Palast, verdammtes Dasein im Verfall, der Geruch von Schnaps, Pisse, kaltem Schweiß, all die Flaschen, die Geschichten erzählen, Geschichten, die ich nie hören wollte, aber hier bin ich, hier bin ich, gefangen im Netz der Passivität, im Irrsinn meiner eigenen Erleuchtung, das Leben dröhnt, diese Schreie draußen, dass Lärmen, dass ewige Gezeter – als ob die Welt da draußen lebendig wäre, als ob sie leben könnte, während ich hier sterbe, während ich hier zerfalle wie der Putz an den Wänden, bröckelig und abgestanden, ich höre sie lachen, diese menschlichen Reptilien, diese Heuchler, Denunzianten, Ehebrecher und Mörder, sie jubeln, sie leben, sie ficken und spritzen ihre Exkremente ins Universum, aber was ist Leben? Was ist das für ein Krampf?
Genug, genug davon, ich kann es nicht mehr ertragen, nicht mehr ertragen, ich stehe auf, die Beine schwer wie Blei, vom tagelangen sitzen, Bretzelhaltung, schmerzvoll, ohja, schmerzvoll, und das starren auf die weiße Wand, die blanke Wand, dem Nichts, dem absoluten Nichts, und schlage die Tür auf, das grelle Licht draußen schreit mir ins Gesicht, ich blinzle, sehe sie alle da, diese Nachbarn, diese Cretins mit ihren fröhlichen, geifernden, feixenden Gesichtern, und ich will schreien: „Was wollt ihr von mir?“ Eine Gruppe von Dummköpfen, sie sehen nur den Schatten, der ich geworden bin, die Scherben eines Traums, die in der Gosse liegen, ich greife nach der Pistole, sie haben es so gewollt, sie wollen es so, der Peacemaker, den ich nie benutzen wollte, das Gefühl von kühlem Metall in meiner Hand, es pulsiert, pulsiert, so warm, so rauschend, oh wie tut das gut, als ob es mich ruft, als ob es meine einzige Verbindung zur Realität ist, und mit dem Revolver in den Fäusten raus auf die Straße und blindlings, und so oft wie möglich schießen, und ich drücke ab, und das Fauchen bringt sie zum Schweigen, kurz, ein Aufblitzen der Erkenntnis – die Freiheit? Erleuchtung?
Buddha sieht rot, ja, ich sehe rot, tiefrot, ihr Pisser und Habenichtse, und ich genieße das Chaos in euren Gesichtern – ihr Gespenster der Angst, der Panik, ja, sie fallen, sie rennen wie besessene Maden, flüchten aus der Wahrheit, die ich ihnen vor die Füße geworfen habe. Ich will nur leben, ich will nur Leben, und das hier, dieses verdammte Leben, es ist nicht genug, nicht genug.
Ich taumle zurück in meine Bude, in meinen Palast, die Stille zieht mich an, jetzt, ich bin allein, das Lied der Einsamkeit erklingt, und Engel frohlocken und in der Ferne die Überreste von etwas, das ich einst kannte, und dann, der Bodhi-Baum, mein alter Freund, es ist Zeit, Zeit, um deinen Stamm zu brechen, um den Traum zu zerreißen, ich greife die Säge, fühle das ratternde Sägeblatt durch das Holz, dieses himmlische Konzert, oh, dieser Schnitt, ein Blick des Zorns, präzise, ich schneide durch die Wurzeln meiner eigenen Illusion, und die Äste fallen wie die Erinnerungen an bessere Tage, fallen zu Boden und zerbrechen, zerbarsten, nur ein hässlicher Haufen Holz bleibt zurück, hier, im Urschlamm meines Daseins, ein Monument des Versagens, schau dir das an. Schau hin, schau genau hin.
Die Nachbarn starren, entsetzt, ungläubig, über das, was ich tue, dass ich ihren Glauben an die Idylle zerstöre, das heilige Holz, die Illusion, nichts da, nichts bleibt heilig! In dieser Stille des gescheiterten Glaubens, wo die fragilen Träume im Dreck ersticken – die letzte Brücke zu dem, was einmal war, ich lache, und es hallt, hallt zurück wie das Echo eines Traums, der nie hatte stattfinden sollen, „Schaut ihr Dummköpfe, schaut hin, hört ihr?“, rufe ich durch diese Stille, „wer bin ich, wenn nicht das, was ihr macht?“
Aber das ist nicht genug. Nichts ist jemals genug, die hitzige Wut häuft sich an in meiner Brust, lässt mich brennen, ich fühle mich lebendig in diesem Chaos und doch pulverisiert unter dem Gewicht vom Zerfall, von Sodom und Gomorrha, die in mir wohnen, und das Leben bleibt ein verdammter Kampf ohne Sinn, ein ständiger Kreislauf aus Schmerz und Trieb und Hass und Wut. Und der Bodhi-Baum, der majestätische, warf ihre Schatten, die ich nun beseitigt habe – aber was bleibt? Was wird?
Ich sehe das tote Holz, die Überreste meines Zorns, und ich kann nicht anders, als zu fragen, was aus mir wird. „Was wird aus mir?“ Der Wind pfeift durch die Tür, durch die Wände, flüstert mir ins Ohr, während ich allein mit meiner Wut, meiner Ohnmacht, zurückbleibe, hier zwischen den Trümmern meines eigenen Lebens, und ich frage mich, ob ich je wieder atmen kann, ob ich je wieder wissen kann, was es heißt, zu sein, schlichtweg zu sein.


Randnotiz: Buddha sieht rot in einem kleinen Ort in den hessischen Wudang-Bergen
In einem kleinen Ort in den hessischen Wudang-Bergen sorgt ein Vorfall für Aufregung: Buddha, ein angesehener Ingenieur, hat am Samstag in seinem Garten zugeschlagen. Bekannt für seine ruhige Art, wurde er plötzlich handgreiflich. Zuerst zersägte er den Bodhi-Baum, ein persönliches Symbol, und fuhr anschließend seine drei Meter hohe Buddhastatue mit einem Bagger um. Anwohner berichteten von lauten Geräuschen und riefen die Polizei, die Buddha am Tatort antraf. Der Vorfall wirft Fragen auf, nachdem der Ingenieur lange als unauffällig galt und in der Gemeinde gut angesehen war. Die Gründe für diesen plötzlichen Gewaltausbruch sind bislang unklar. Der kleine Ort ist nach diesem Ereignis in Aufruhr. Viele befürchten, dass die Muppets im Grand Hotel Europa, diese friedlichen Zeitgenossen, als nächstes ins Visier von Buddha geraten könnten.