Als Die Liebe Gott Karl den Großen traf, heckten sie einen Bilderstreit aus. Als Die Liebe Gott auf Sachs traf, hatte sie Nebenhöhlenentzündung. Sachs dachte, sie bauen Büttner nach dem Vorbild… Tja, nach wessen eigentlich? Der wiederum scherte sich nicht darum, was andere von ihm dachten, und erfand Kampmann. Der wiederum erfand Dr. Holger Karsch. Oder war das umgekehrt? Und so ging das in einer Tour. Was Die Liebe Gott jedoch nicht auf dem Schirm hatte: Karsch überlegte sich etwas in Sachen Raum. Der war wichtig. Vor allem der Begriff des Raums. Er ist ja nur auf der Erde oder in des Menschen Gehirnen mit «Volumen» übersetzt und kommt in Häusern meistens im Plural («Räume», «Volumen» oder «Volumina») vor. Andernorts geht es anders zu. Fragt mal Bina Femaroll oder Cat Tschippitea, dann sieht es mit dem Raum ganz anders aus. Dann geht es um ganz etwas anderes. Die beiden kennen nämlich noch aus eigener, schmerzhafter Erfahrung die anderen Eigenschaften von Raum. Das allerdings zu verstehen, trauen sich nicht so viele zu. Denn dazu muss man in der Lage sein, die Erde verlassen zu können. Und das kann derzeit nicht jeder. Das Adverb derzeit unterliegt dem Prozess der Alterung. Es hat mittelhochdeutsche Wurzeln: der zīt(e). Ach ja, Zeit. Womit wir nicht beim Thema wären, nur bei einem Aspekt, der natürlich wichtig ist. Denn während Die Liebe Gott nicht einmal so alt wie das Universum ist, sind Cat und Bina derzeit längst älter gewesen – abhängig vom Standpunkt beziehungsweise -ort. Denn sie sind ja immer noch so weit fort von der Erde. Und Sachs? Der geht gelegentlich mit Büttner um den Block, während Karsch immer noch versucht, die RDS beieinander zu halten. Aber stopp. Irgendwas läuft hier Amok. Schon wieder geht es mit dem Theoretisieren los. Jenseits der Zeit ist es unerträglich. Einfach mal so ist nicht. Immer wird alles kompliziert. Wo waren wir stehen geblieben?
Kampmann schippert auf der sanftwelligen Adria einer kleinen, gemütlichen Insel entgegen. Das Touristenboot legt an und reißt ihn aus Tagträumen und Deja-vu-Schleifen. Er geht an Land. Es ist verdammt heiß. In der Luft liegt ein Hauch toten Fischs. Wir nähern uns dem Glühen des Mittags. Kampmann weiß noch nicht, wohin er muss. Er hat lediglich obskure Hinweise erhalten. Sein Körper schwankt ein wenig. Das könnte das Echo der Überfahrt und Zoll der Hitze sein, beruhigt er sich. Durst löschen oder besser ein Eis schlecken? Er blickt die Kaimauer empor. Pinien und das Übliche einer Landschaft am Mittelmeer. Meine Güte fühlt sich Kampmann trotz seines Dursts und der Hitze wohl. Er denkt sich: «Hier bleibe ich.» «Bleib doch hier. Es ist unglaublich!» Schwärmt Fritz. Oder auch Olivenheini genannt. Fritz Firlefanz kam vor 30 Jahren hierher. Aussteiger aus Österreich. «Ich hatte es so satt, aber komm mit. Hier können wir nicht reden. Wir müssen ein wenig ins Landesinnere fahren. Hier sind überall Empfangsstationen von NAD. Es wird immer problematischer, offen zu reden. Selbst hier, hier im Paradies.» Kampmann konnte es sich nicht vorstellen. Aber vielleicht war es wirklich dieses Klischee. Ein paar Touristen saßen scheinbar genießend auf Plastikstühlen vor einem Eiskiosk an der Mole, die gerade im Schatten lag. Die konnten nicht echt sein. Aber was war mit den Kindern, die dort zwischen den klischierten Fischerbooten im dreckigen Hafensand spielten? Schau sie dir genau an. Den Fritz bat er mit einem Blick und eindeutiger Körperhaltung um ein paar Augenblicke der Betrachtung. Das sah zu normal aus. Gewöhnlich gekleidete Urlauber. Ein paar mit kurzen Hosen, Strohhüten. Er mit Basketballkappe. New York Nicks. Er trägt eine RayBan. Gut, das war’s. Er schaute nicht mehr allzugenau hin, weil er wusste, was diese Brille zu bedeuten hatte. Sie entsprach exakt der aktuellen Mode, war aber nichts anderes als ein Spionageinstrument. Sie sind zu perfekt, dachte er und übertrug den Gedanken über SCHUR an die RDS. Dann hinterlegte er noch die Physiognomien aller vier. Die Kinder nahm er gleich mit. Und er addierte in Gedanken noch den Job an Karsch hinzu, er möge recherchieren und die Ergebnisse allen in der RDS zusenden.
Und jetzt hatte er endlich Grund, Angst um seinen Schlaf zu haben. Denn er redete gelegentlich, und die ganze Zeit in Kroatien hatte er keinen Gedanken daran verschwendet, dass er vielleicht abgehört werden konnte. Nun sehnte er sich nach der Ruhe in Trsteno. Er wusste zwar, dass er dort wieder hinfinden würde, aber erwarten konnte er es nicht. Die RDS gab Halt. Er hatte gezweifelt, Fritz brachte ihn zurück. Es brauchte keine Legitimation zum Widerstand, und wenn er Margaret wieder sehen sollte, würde er es ihr sagen. Sie waren alle gefährdet. Und jetzt sehnte er sich wieder nach ihr und nach allen, mit denen er das Gute austauschte. Meine Güte, immer diese schwere Trauer an Mittagen wie diesem. «Wir sind da», riss ihn der Olivenheini aus dem Tagtraum. [Fortsetzung folgt vielleicht]
Soundtrack: Massive Attack, Mezzanine, Circa Records/Virgin, 724384559922, 1998