Mein Name ist Holger Karsch, und ich bin Schuster. Ich bin ein guter Schuster und weiß, wie ich Dinge reparieren kann. In meiner Freizeit jedoch schreibe ich und erfinde Geschichten. Denn ich weiß nicht, warum dieser Junge immer zu mir kommt. Er wirkt sonderbar anders als die anderen, die in meine Werkstatt stolpern und sich die Werbe-Comics der Schuhfabrikanten erbetteln. Der Bursche ist leise. Schaut eigentlich nur zu. Macht ihn mir sympathisch. Hier, im Laden, sitze ich an meinem Werktisch. Mein Rücken ist dem Fenster zugekehrt. Das Licht fällt sparsam ein, aber es fällt. Damit ich arbeiten kann, habe ich meine windschiefe, gelbe Schreibtischlampe mit der 40-Watt-Birne und ausgeleierten Federn. Wer mich betrachtet, wer von außen durch die schmalen Fenster lugt, sieht vielleicht ein altmeisterliches oder biedermeierliches Gemälde vor sich. Komm nur herein, Beobachter. Es geht ein kleines Treppchen hinab ins Halbparterre. Wer eintritt, der wundert sich vielleicht über das Dämmerlicht, das er nun spürt, in das er als Bestandteil absorbiert wurde. Das ist kein Bild mehr. Natürlich habe ich meine Lampe eingeschaltet. Sonst sähe man gar nichts. Der Fußboden ist teerschwarz und uneben. Der Klebstoff hat eine undurchdringliche Schicht durchs jahrelange Betreten hinterlassen, die, vertrocknet, soeben noch zu fegen ist. Wegputzen kann man die nicht mehr. Ich müsste schon einen Schaber nehmen. Aber wer soll das denn machen; also was soll ich schon tun? Der Raum ist günstig. Etwas Feineres kann ich mir nicht erlauben. Jeden Auftrag nehme ich an. Daher arbeite ich von morgens Punkt sieben Uhr bis zehn Uhr abends. Dann aber muss Feierabend sein. Ja, auch an den Wochenenden, an allen Samstagen, an allen Sonntagen betrete ich, wenn auch ein wenig später, meine Werkstatt. Sonntags dann nach dem Kirchgang. Sonst habe ich nichts. Viel brauche ich außerdem nicht. Mühe, klar, die habe ich nie gescheut. Allen flicke ich ihr Zeugs. Oft ist ein Schuh, zumal ein Frauenschuh, eine Herausforderung. Es muss mit Obacht und Vorsicht gearbeitet werden. Ich zolle den Dingen Respekt. Denn sie zeigen sich mir auf geheimnisvolle Weise von ihrer lebendigen Seite.