Ich dachte, ich schreibe nun in einer Umgebung, die mich konzentrieren lässt. Und ich dachte, ich starte mit einer Reflexion genau darüber. Es war mir ein Anliegen, diesen Text auf einer ganz besonderen Maschine und mit einer ebenso außergewöhnlichen Software zu schreiben. Und ja, das mache ich gerade auch. Trotzdem bin ich schon wieder einer Illusion aufgesessen. Der Illusion nämlich, dass es doch ganz gut laufen würde. Dass ich auf Youtube Music auf meine alten Schallplatten zurückgreife, die ich dorthin geschubst habe, nachdem Google Music von Google zerstört worden ist. Das hätte so schön gepasst. Denn weder hätte ich eine Software installieren müssen, denn ich würde im Browser gehört haben, noch hätte ich irgendwelche Netzwerk- oder Firewall-Issues zu lösen gehabt. Da ich jedoch auf freier Software schreibe und ich nicht weiß, warum ich dieses DRM in Firefox nicht einschalten kann, höre ich nun Annie Clark alias St. Vincent im Zimmerkonzert von NPR. Auch in Youtube Music. Was ich nicht verstehe, denn warum spielt es das ab und das andere nicht? Und man sieht natürlich nicht, welche Formate es sind. Das muss man sich selbst zusammenreimen oder -suchen. Und auf Reddit wird man schon fündig. Was auch schön ist, mich aber maßlos ärgert, da ich für die Dateien in meinem «Archiv» schon oft Geld bezahlt habe. Da waren die Vinylscheiben, dann waren die Dateien. Und nun kann ich diese nicht einmal mehr aus der Oberfläche direkt downloaden, und ein Kopierschutz lässt mich diese Dateien nicht einmal mehr hören. Oder doch ein Problem des Dateiformats? Erklärt wird nichts. Das wäre ja Service. Willkommen in der Gegenwart von Zuckerbrot, Nudging, Peitsche und omnipräsentem, kartellisierten Diebstahl. Mit KI, nicht erst seit neuestem. Jetzt ist es egal. Ich habe Zugriff über den Browser auf meinen Medienserver. Warum ist das so kompliziert? Weil ich gerade in openindiana bin. Das ist einer meiner Betriebssystemfetische seit meiner Zeit an der Universität. Das System ist eine freie Variante, besser Überlebende aus dem Desaster um Solaris von Sun Microsystems, das Oracle angerichtet hat. Eine wirklich üble Sache. Der Rechner selbst ist eine Dell Precision T7610-Workstation aus dem Jahr 2014. Es ist nicht der schnellste Rechner hier im Haus, aber es war mit Sicherheit mal der teuerste, den ich je hatte, selbst wenn es keine Sun-Workstation oder SGI-Kiste ist. Ich habe sie geerbt und keinen Cent dafür gezahlt. Sie war ab- und kaputtgeschrieben worden. Doch Schäden hat sie nicht, hatte sie nie. Seit Jahren schnurrt sie wie ein Kätzchen mit ihren zwei XEON-Prozessoren und der Nvidia-Quadro-Grafikkarte. Alles Pro. Auch das Netzteil mit seinen unverschämten 1300 Watt. Mit der Maschine experimentiere ich. Derzeit laufen zwei bis drei Systeme, wobei openindiana mit Abstand das am schwersten zu pflegende ist. Aber es ist mittlerweile vollständig unter einen freien Lizenz veröffentlicht. Ich schreibe natürlich in einem Terminal und mit einem rein textbasierten Editor, dem Vim von Bram Molenaar, ein Programmierer, der im vergangenen Jahr leider schon verstorben ist. Diese Software ist Poesie mit Interaktionsmöglichkeiten. Nebenan läuft mein ebenfalls textbasiertes E-Mail-Programm mutt. Und alles ist frei. Warum schreibe ich das? Es sind die Bedingungen, unter denen Konzentration möglich ist. Die braucht man zum Lesen und zum Schreiben. Denn das unterscheidet uns von so genannter KI, der das alles shice egal ist, so lange Strom fließt. Also nach der langen Rede, Ben Folds‘ «Rockin‘ the Suburbs» hörend, komme ich langsam in die richtige Stimmung, um der Sache gerecht zu werden. Neben mir liegen Texte von Friedrich Kittler. Das scheint zu passen. Aber noch einmal zurück zum System. Wenn ich daran denke, was Solaris so alles ist: beispielsweise denke ich da nicht an die Verfilmungen, sondern an die fantastische Literatur von Stanislaw Lem. Du hast Cortazar angeführt, und während Maschinen und Menschen Kaninchen husten, entstehen aus dem Ozean Gebilde, die psychoaktiv die Raumstation auf den Kopf stellen und Psychosen verstärken, Hirngespinste Fleisch werden und Tote aus ihren Gräbern auferstehen lassen. Um welchen Preis? Keiner weiß es. Es ist das, was mit den Geschichten passiert. Es ist der Antrieb, der uns zu den Sternen bringt. Das wissen Cat und Bina besser als wir beiden, Sascha. Wir sind in Trysteros Netzwerken und schreiben uns, was immer wir meinen. Und Du schreibst, es sei alles durch die «Laubsätzertage» gezeigt oder gesagt. Und es treibt mir die Tränen in die Augen, weil ich während des Lesens Deiner Worte mittlerweile immer häufiger im Positiven zusammenbreche. Sie erinnern mich an diese verdammte Sterblichkeit, und wären wir doch vor 2001 schon unterwegs gewesen. Zusammen. Ich dachte immer, das sei 2000 gewesen. Das makeworld von Florian Schneider. Ist wohl nicht so gewesen. Und jetzt muss ich sagen, dass natürlich längst noch nicht alles aufgeschrieben wurde. Und dass längst nicht alles gesagt worden ist. Und jetzt sammeln wir weiter. Wir schubsen Textzeilen in die Schlünde maschineller Sprache, die nichts anderes ist als angewandte Mathematik. Was sonst schon? Und ja, hatten wir nicht immer die Sprache? Text vor allem. Und ich denke an den Trashpavilion, der allen die Schuhe ausgezogen hat. Und niemand hat es verstanden. Ich auch nicht. Ich musste Dir nur vertrauen, und Du hast es dann realisiert. Die Vitrine, das Buch. Und dann hat Uwe Rüth Dein Experiment gleichfalls mit Vertrauen gewürdigt, weil er das Wuchern, Rhizomieren, Trysterisieren, Pilzen, Wasten, Mycelisieren und Mäandern verstanden hatte, was ich heute auch kann, weil Du mich damals mit in den Wucherkosmos mitgenommen hast. Und ich erst einmal nur fasziniert war, auch davon, wie wir Wörter ins Schöppinger Kaminfeuer hineinsprachen. Das hat alles keinen Anfang und kein Ende, und damit ist nämlich auch weder bei unseren Produkten noch sonstwo Feierabend. Das geht dann doch einfach so weiter. Und Serverfestival ist immer. Und wir streamen das einfach, doppelt, dreifach. Während mir die Augen brennen und die Vernunft mir längst sagt, dass ich es bleiben lassen sollte. Das hier mit dem Streaming. Und so gehorche ich für jetzt. Denn es wird ein morgiges Jetzt geben. Julios elf Kaninchen bringe ich nicht zusammen. Hier ist das zweite, und zu mehr wird es nicht reichen. Alle anderen ähneln sich zu sehr. Ich habe das Schreibmedium gewechselt. Hier virtualisiert gerade ein schwarzes Stück Plastik einen Fineliner. Ich erbreche etwas Hoppelndes hoppelnd über ebenso virtualisiertes Papier. Irgend etwas unter dieser Scheibe macht, dass die erlernten Bewegungen meiner Hand, die den schwarzen Stift hält, als schwarze Spuren auf dieser Scheibe zurückbleiben. Die einzige Intelligenz liegt hier im Engineering der Leute beim Hersteller und vielleicht ein bisschen bei mir, der ich dies hier verfasse. Und selbst wenn ich später der Maschine befehle, sie solle das Geschreibsel brav erkennen und in editierbare Druckbuchstaben übersetzen, vermute ich kein weiteres, aktives, tangibles Gehirn, das sich in Sprache entfaltet. Fürs Schreiben nutze ich solche Werkzeuge, andere nutzen andere. Jetzt schreibe ich seit gestern Abend. Diese Zeilen gehen nach Limburg, sie gehen nicht nach Paris. Wie unwahrscheinlich oder wahrscheinlich ist gerade der Inhalt aus Erinnerung, der kaskadenartig mein Hirn durchströmt? Und kein andrer Mensch weiß, was ich gerade dabei empfinde, als ich an die Rückfahrt im schwarzen Polo denke, also muss es nach 1988 gewesen sein, mit V. Denn soweit ich weiß, hat V. sich später, viel später, für den Freitod entschieden, und ich hoffe um mein Seelenheil, dass sie — ach, nein, so kann man das nicht sehen. Aber dies kann das nächste Kaninchen nicht! Es hat derzeit als LLM nur die paar Möglichkeiten der angewandten Wahrscheinlichkeitsrechnung bzw. Statistik. To be able to predict ist anderer Software vorbehalten. Also Paris und V. Dieser schöne, aber leider aus Beziehungsperspektive vollkommen missratene Trip. Mein zweites Karnickel hoppelt schon wieder zum nächsten Löwenzahn. Den habe ich bei der Vorstellung der Pflanze vergessen! Ach ja, ich wollte mich noch zu den Adjektiven äußern. Wenn man zugrunde. legt, dass ein LLM wie Open AIs Chat GPT, das ich nur in Version 3.5 nutze, weil der 4er in Edge und Co. nervt, als Trainingsdaten das ganze Zeugs aus dem Netz eingekübelt bekommt, wirft dies ein bezeichnendes Licht auf das Sprachvermögen der Mitmenschen. Oder will die Maschine so heftigen Gebrauch von Adjektiven machen, wie Du es beschreibst? So viele Adjektive: Das sind die «Tricks» der Anfänger, vor denen man gewarnt wird, wenn man lernt, Zeitung zu machen. Also ist das der Stand der Dinge in Sachen Literarizität und Maschine? An dieser Stelle muss ich einmal mehr abbrechen, denn Luna, meine Hündin, sollte so langsam an die Luft geführt werden. Vielleicht habe ich später vor der Arbeit noch ein paar Minuten. Vielleicht jedoch muss erst so lange dauern, und wir sind im Deux Magots Touristen unseres Lebens im Älterwerden. Es muss das Deux Magots sein. Wir, die Trickster im Klischee. Das versteht zwar keiner, aber wir sind die Agenten im RDS und nutzen dort Trystero, WASTE, NOSE und wie sie alle heißen. Nur sind wir dort dann zusammen und sprechen miteinander wie die Alten in einem späten ungeschriebenen Buch von John le Carré, David John Moore Cornwell. Eigentlich. Und wir zeigen uns weiterhin unsere Texte. Wir schreiben weiterhin unsere Dialoge. Da war noch einer, oder waren da noch mehr, die noch nicht fertig und geworden sind? Sollten sie es werden? Und vielleicht sollten sie es in Paris werden. Vielleicht sollten sie, wenn B. und ich, das heißt, wenn B. mit K. Und wenn also dort, dort genau: im Deux Magots.